Der Basistunnel Lyon-Turin gehört zu den längsten Eisenbahntunneln der Welt. Mit dem ehrgeizigen Projekt soll der Güterverkehr von der Straße auf die Schiene verlagert und somit der CO2-Ausstoß reduziert werden. Um die Bauwerke im Saint-Jean-de-Maurienne-Tal harmonisch an die Umgebung anzupassen, wurde ein Architekturbüro beauftragt, ein entsprechendes Konzept zu entwickeln. Dessen Entwurf sah Betonwände vor, die mithilfe von Schalungsmatrizen das Erscheinungsbild von Gabionen erhalten sollten. Hierfür musste allerdings erst die passende Gießform entwickelt werden. Eine Herausforderung, an der zahlreiche Anbieter scheiterten. Doch der NOE Betongestaltung GmbH gelang es, die gewünschte Matrize herzustellen. Das Ergebnis wird ins Standardsortiment übernommen und trägt den Namen „Gabion“.
Ein Tunnel, der verbindet:
Die Planungen für den Basistunnel Lyon-Turin reichen bis in die frühen 1990er-Jahre zurück. Ziel ist es, den Güterverkehr zwischen Frankreich und Italien zu optimieren und die Transportkapazitäten zu erhöhen. Gleichzeitig soll der CO2-Ausstoß reduziert werden. Hierfür wird ein 57,5 km langer Tunnel gebaut, der die Alpen durchquert. Er besteht aus zwei parallelen Röhren, die jeweils einen Schienenstrang aufnehmen. Doch die Hochgeschwindigkeitsstrecke verläuft nicht nur unter Tage, sondern auch oberirdisch – etwa durch das Saint-Jean-de-Maurienne-Tal. Hier entstehen Schallschutzwände, Wege, Brücken, Bahnsteige u. v. m. Diese müssen in die Umgebung integriert werden. Um das sicherzustellen, wurde ein Pariser Architekturbüro damit beauftragt, ein gestalterisches Konzept zu entwickeln und ein bevorzugtes Material für die Errichtung der Bauwerke zu bestimmen. Die Planer entschieden sich für Betonwände, deren Oberfläche die Struktur von Gabionen nachbilden. Diese sollten mithilfe von Matrizen erstellt werden, die in der Schalung fixiert, mit Beton übergossen und nach dem Aushärten entfernt werden. Derartige Matrizen bestehen meist aus Polyurethan und haben ein Relief, das dem Beton die gewünschte Oberflächenbeschaffenheit verleiht. Doch die Architekten standen vor einem Problem: Es gab keinen Matrizen-Hersteller, der ein solches Design im Standardsortiment hatte. Und es stellte sich als äußerst schwierig heraus, einen zu finden, der in der Lage war, diese Struktur zu entwickeln.
Eine neue Struktur entsteht
Um ein neues Matrizendesign zu entwerfen, gibt es grundsätzlich zwei verschiedene Verfahren: erste Möglichkeit – der Auftraggeber entwirft eine digitale 3-D-Zeichnung, deren Struktur mithilfe einer Fräsmaschine auf eine Modellbauplatte übertragen wird. Diese wird dann in eine Schalung gelegt und mit Polyurethan gefüllt und die gewünschte Matrize wird so erzeugt. Für das Bahnprojekt lag jedoch keine solche 3-D-Zeichnung vor. Bei der zweiten Möglichkeit wird ein realer Gegenstand, z. B. ein stark gemasertes Holzbrett, in die Schalung gelegt und mit Polyurethan übergossen. So kann die Struktur direkt vom Original abgenommen werden. Bei einer Gabionen-Mauer ist dies jedoch nicht möglich, da die Gießmasse in die Hohlräume fließen würde. Dementsprechend schwer war es für die verschiedenen Anbieter, die gewünschte Schalungsmatrize anzufertigen. Lediglich die NOE Betongestaltung GmbH konnte eine entsprechende Gießform fertigen. Das Unternehmen arbeitet seit einiger Zeit mit einem Künstler zusammen, der immer wieder Designs für das Unternehmen entwirft. Für dieses Projekt modellierte er eine entsprechende Gießvorlage, die zur Herstellung der Schalungsmatrize genutzt wurde. Und so gelang es NOE nach zweijähriger Entwicklungsarbeit, eine NOEplast-Struktur auf den Markt zu bringen, die den geriffelten Stahl eines Gabionenkorbes und die einzelnen Steine in der Mauer täuschend echt darstellt. Sie trägt den Namen „Gabion“.
Eine Struktur für große Flächen
Die neue Matrize hat eine Größe von 2,9 x 2,4 m und ist 3,7 cm dick. Sie weist keinerlei Hinterschneidungen auf, sodass sie sich leicht vom Beton löst. Mit ihr können extrem große Flächen ohne sichtbare Fugen oder Versprünge erstellt werden. Dies zeigt sich eindrucksvoll an einer 15 x 10 m großen Wand, die das ausführende Unternehmen mit der NOE-Matrize auf einmal eingeschalt hat. Insgesamt lieferte NOE 1.200 m² Matrize auf die Baustelle. Dort wird damit eine 55.000 m² große Betonfläche herstellt. Möglich ist dies nur, weil das ausführende Bauunternehmen die Matrize ca. 40-mal wieder verwendet. Doch damit geht es noch lange nicht an die Belastungsgrenze der NOEplast. Sie lässt sich je nach Struktur und äußeren Einflüssen bis zu 100-mal nutzen. Wodurch sie äußerst wirtschaftlich ist.
Ein besonderer Service
NOE war nicht nur in der Lage, die Matrize zu realisieren, das Unternehmen erleichtert zudem die Arbeit des ausführenden Bauunternehmens durch einen besonderen Service. Es klebt die Matrizen direkt im Werk auf eine Trägerplatte. Eine Dienstleistung, die nur äußerst wenige Hersteller anbieten, die aber gerne von den Bauunternehmen in Anspruch genommen wird. Schließlich kann es äußerst knifflig sein, diese Arbeiten auf dem ungleichmäßigen Untergrund einer Baustelle und unter freiem Himmel durchzuführen. Sobald die Matrize vor Ort geliefert ist, kann sie auf die dort eingesetzte Schalung montiert werden. In der Regel geschieht dies, indem sie von hinten auf den Schalbelag geschraubt wird.
Bessere Prüfbarkeit
Ein wichtiger Grund, warum sich die Planer für strukturierte Betonwände und gegen echte Gabionen mit einer dahinterliegenden Betonwand entschieden, war die Überprüfbarkeit der Statik. Da die Bahnlinie von einem Hochgeschwindigkeitszug genutzt wird, muss die SNCF regelmäßig die Statik der tragenden und anliegenden Bauteile prüfen. Ein zweischaliger Wandaufbau hätte dies erheblich erschwert. Infolgedessen war es langfristig besser, die Wände mit dem entsprechenden Relief auszustatten und dafür in Kauf zu nehmen, dass ein Hersteller erst ein neues Design entwickeln muss. Diese Aufgabe übernahm die NOE Betongestaltung gerne und darf nun in Absprache mit dem Architekturbüro und dem beauftragten Künstler die Struktur in ihr Standardsortiment aufnehmen. Damit haben nun auch andere Kunden die Möglichkeit, das Design für ihr Bauvorhaben zu nutzen. Da sich NOE das Design als Geschmacksmuster eintragen ließ, wird es lange Zeit der einzige Anbieter sein, der diese Struktur auf den Markt bringt. Ein großer Vorteil, da sich das Relief schon jetzt großen Interesses erfreut.
Autor: Dipl.-Ing. Claudia El Ahwany